Mythos und Archetypen

 

Die seit der Antike immer wieder durch alle Kunstformen durchdeklinierten Vorstellungen von Göttern, Helden und Menschen, von tragischen Schicksalen, von Liebe und Tod, von Unterwelt und Erlösung haben die abendländische Bildwelt und unser kulturelles Gedächtnis tief geprägt. Über tausenden von Jahren sind sie weitergegeben, angereichert, umgedeutet und neu definiert worden.

 

Mit ihrem Dante-Zyklus steht Trudy Wiebus in einer sehr langen Tradition von Werken, welche sich mit diesem kulturellen Erbe immer wieder aufs Neue auseinandersetzen, um eine weitere Facette zu beleuchten, einen neuen Blickwinkel zu eröffnen.

 

Trudy Wiebus zählt allerdings nicht zu den Illustratoren und ist auch nicht der narrativen Tradition zuzuordnen; denn weder stellt sie den Dante Text dar noch macht sie einen Film daraus. Ihre Bildkompositionen sind zwar „Szenebilder“ und erinnern in ihren Raumkompositionen an große weite Bühnenräume mit Unendlichkeitsillusionen qua Durchblick, sind jedoch Darstellung von Handlungen oder Handlungsabläufen. Folglich eignen sich die Bildtitel nicht als Deutung der Gemälde, vielmehr eröffnen sie wie Schlüssel die Tore zu Gedanken und Erinnerungen, zu einem Spiel von Assoziationen. Das Farbtheater vor dem Auge kann mittels des Bildtitels zum Gedankentheater im Kopf werden.

 

Dr. K.Keßler 2017